1. Wann spricht man von Mobbing?
Nicht alles, was man umgangssprachlich unter Mobbing versteht, wird auch im Rechtssinne als Mobbing gewertet. Es handelt sich schließlich nicht um einen rechtlichen Begriff. Durch das Verhalten des Mobbenden müssen arbeitsvertragliche Pflichten verletzt werden.
Einige „Mobbinghandlungen“ allein betrachtet (z.B. jemanden wie Luft behandeln) erreichen diese Intensität nicht. In ihrer Gesamtheit können sie jedoch sehr wohl eine Pflichtverletzung darstellen und somit rechtlich relevant werden.
Systematisch bedeutet, dass die einzelnen Handlungen des mobbenden Arbeitnehmers oder Vorgesetzten aufeinander aufbauen oder ineinander übergreifen müssen. So ist z.B. isoliert betrachtet das bloße einmalige Ignorieren einer Person noch kein Mobbing, sondern kann erst in einer Zusammenschau weiterer Handlungen als solches eingestuft werden (wie z.B. der darauf aufbauenden Verweigerung selbstverständlicher Hilfen oder das Streuen von Gerüchten).
Mobbing zeichnet sich außerdem dadurch aus, dass es mindestens einen Täter und ein Opfer gibt. Grundsätzlich liegt daher kein Mobbing vor, wenn der vermeintlich gemobbte Arbeitnehmer das Verhalten des Anderen mit ausgelöst hat (z.B. durch eine Provokation). Natürlich kann es hier häufig zu Beweisschwierigkeiten kommen. Daher sollte der Gemobbte genau dokumentieren, zu welchen Vorfällen es wann im Einzelnen kam (mehr dazu s.u.).
Mobbing am Arbeitsplatz kann verschiedene Formen annehmen und auf ganz unterschiedlichen Motiven beruhen. Überwiegendes Ziel der mobbenden Person ist es, den Gemobbten aus dem Arbeitsverhältnis zu verdrängen. Mobbing muss auch nicht im Betrieb selbst, sondern kann auch beispielsweise in den sozialen Netzwerken erfolgen (sogenanntes Cybermobbing). Für arbeitsrechtliche Konsequenzen ist aber natürlich ein Bezug zur Arbeit erforderlich z.B. wenn die Handlungen während der Arbeit vorgenommen werden, die Inhalte Bezug nehmen auf das Verhalten des Gemobbten am Arbeitsplatz oder sich in betriebsinternen Gruppen ausgetauscht wird.
Mobbing am Arbeitsplatz durch den Vorgesetzten („Bossing“)
Mobbt der Arbeitgeber seine Mitarbeiter, spricht man auch von Bossing. Zwischen dem Arbeitnehmer und dem Vorgesetzten besteht eine durchaus gewollte Hierarchie. Kein Bossing stellt aus diesem Grund die rechtmäßige Ausübung des Direktionsrechts oder Kritik durch den Vorgesetzten dar. Weiter kann von einem schlechten Führungsstil grundsätzlich noch nicht auf eine feindliche Gesinnung des Vorgesetzen geschlossen werden, sodass nicht schon Bossing vorliegt, wenn
- der Vorgesetzte fehlerhafte Anweisungen erteilt oder
- der Vorgesetzte den Arbeitnehmer oft und zum Teil auch in einem unsachgemäßen Ton kritisiert.
Anders ist es jedoch, wenn die ausgeübte Kritik oder die Anweisungen schikanierende Formen annehmen. Regelmäßig als Bossing zu klassifizieren sind zum Beispiel:
- ein Angreifen der Ehre und ein Herabsetzen des Ansehens des Arbeitnehmers durch andauernde, unberechtigte Kritik und eine gezielte Abwertung vor Kollegen sowie bei beleidigender Kritik.
- eine andauernde Über- bzw. Unterforderung oder ständige, sinnlose sowie nicht zu bewältigende Aufgabenstellungen, wodurch die Qualität der Beschäftigung erheblich leidet.
Folgende Beispiele sind hingegen regelmäßig nicht als Bossing einzuordnen:
- Gewöhnliche Auseinandersetzungen am Arbeitsplatz, wie Abbruch einer Fortbildungsmaßnahme durch den Arbeitgeber, verbunden mit offener Kritik und einer Abmahnung, anschließende Kündigung (wobei plausible Anlässe für diese Maßnahmen dargelegt werden); BAG 8 AZR 351/15
- Generell sind arbeitsrechtlich zulässige und gebotene Maßnahmen (Abmahnung, Versetzung, Kündigung,…) kein Mobbing.
Mobbing am Arbeitsplatz durch andere Arbeitnehmer
Hier steht beim Mobbing mehr noch die soziale Isolation des betroffenen Arbeitnehmers durch den mobbenden Kollegen im Vordergrund. Beispiele sind:
- das Unterbinden des gemobbten Arbeitnehmers sich mitzuteilen, indem er ständig ignoriert bzw. wie Luft behandelt wird
- das Spinnen von Intrigen
- das Streuen von herabwürdigenden Gerüchten
- die Verweigerung selbstverständlicher Hilfen sowie
- Gehässigkeiten und die gezielte Missachtung der üblichen Höflichkeitsformen sowie Unhöflichkeiten
- Ein Kollege stellt einer Kollegin ständig und auf Dauer im Betrieb nach (Stalking)
2. Welche Rechte haben Arbeitnehmer bei Mobbing am Arbeitslatz?
Bei Mobbing am Arbeitsplatz stehen dem betroffenen Arbeitnehmer je nach Fallgestaltung unterschiedliche Rechte zu. Der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Arbeitnehmern.
- Aus diesem Grund besteht zunächst einmal ein Anspruch des betroffenen Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, das Mobbing zu unterbinden (siehe dazu weiter unten).
- Außerdem kann dem betroffenen Arbeitnehmer im Einzelfall ein Zurückbehaltungsrecht seiner Arbeitsleistung zustehen, um sich nicht weiteren Anfeindungen aussetzen zu müssen. Das heißt konkret, dass der Mitarbeiter nicht zur Arbeit erscheinen muss. Von solchen Maßnahmen sollte allerdings nur Gebrauch gemacht werden, wenn zuvor mit einem Anwalt für Arbeitsrecht gesprochen wurde.
- Daneben kann der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis unter Umständen fristlos kündigen. Das gilt vor allem dann, wenn der Arbeitgeber keine geeigneten Maßnahmen gegen das Mobbing ergreift. Zuvor sollte also ausführlich und mehrfach mit dem Arbeitgeber über das Problem gesprochen werden. Auch hier bietet sich anwaltliche Hilfe an.
- Des Weiteren kommen in den folgenden Fällen sowohl gegen den mobbenden Arbeitnehmer als auch gegen den Arbeitgeber, der unter Umständen für das Verhalten des mobbenden Kollegen einzustehen hat, Ansprüche auf Zahlung von Geld in Betracht:
- Wird der gemobbte Arbeitnehmer aufgrund des Mobbings krank, können ihm Ansprüche auf Ersatz der Behandlungskosten gegen den Arbeitgeber und den mobbenden Arbeitnehmer zustehen.
- Zusätzlich kann der Gemobbte Ansprüche auf Zahlung eines Schmerzensgeldes haben.
- Wenn das Mobbing beleidigende oder andere entwürdigende Elemente enthält, kommt ein Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. wegen einer Verletzung seiner Ehre in Betracht (diese kann sich unter anderem auch aus einer permanenten Nichtbeschäftigung ergeben). Dieses Recht steht dem Schmerzensgeld sehr nahe. Schmerzensgeld kann allerdings nur verlangt werden, wenn ein Arzt eine Gesundheitsbeeinträchtigung (z.B. Depression) aufgrund des Mobbings diagnostiziert.
- Schließlich können dem betroffenen Arbeitnehmer bei einer Eigenkündigung Schadensersatzansprüche aus § 628 Abs. 2 BGB zustehen. Dies umfasst Schäden, die dem Arbeitnehmer aufgrund der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses entstanden sind. Auch dies ist vor allem dann der Fall, wenn der Arbeitgeber nicht gegen das Mobbing vorgegangen ist. In Betracht kommt insbesondere, dass ein Teil des ausgebliebenen Lohns vom Arbeitgeber zu zahlen ist.
- Mitunter wird der Arbeitgeber auch versuchen, den gemobbten Arbeitnehmer loszuwerden, statt gegen den Mobber vorzugehen. Wegen des Kündigungsschutzes kann er aber oftmals nicht einfach kündigen, es kommt allenfalls ein Aufhebungsvertrag in Betracht. Ob der gemobbte Arbeitnehmer diesen dann unterschreibt, liegt an ihm. In jedem Fall sollte eine hohe Abfindung verlangt werden.
3. Was muss der Arbeitgeber gegen Mobbing am Arbeitsplatz tun?
Mobbing am Arbeitsplatz kann gesundheitliche Folgen für die betroffenen Mitarbeiter haben. Meistens werden Mobbingsachverhalte erst in einem relativ späten Stadium bekannt. Um das zu verhindern, sollte der Arbeitgeber bereits präventive Maßnahmen am Arbeitsplatz ergreifen. Im besten Fall entstehen dann erst gar keine Mobbingsituationen.
Zeigen diese Maßnahmen keine Wirkung, muss der Arbeitgeber gegen den Mobbenden vorgehen, um die Anfeindungen zu unterbinden. Der Arbeitgeber ist zum entschlossenen Eingreifen verpflichtet und muss sich schützend vor die Betroffenen stellen.
Klassischerweise bietet sich folgendes Vorgehen an:
- Die Vorgesetzten können das Gespräch zu den Betroffenen suchen und den „Täter“ dazu auffordern, das Verhalten in der Zukunft zu verändern.
- Wenn das Mobbing trotzdem weiterbetrieben wird, muss in der Regel im nächsten Schritt eine Abmahnung ausgesprochen werden.
- Als alternative oder ergänzende Möglichkeit bietet sich auch eine Versetzung an. Dadurch können die Betroffenen Abstand zueinander gewinnen und beide Ihren Arbeitsplatz behalten.
- Als letzte Maßnahme greift dann die Kündigung des Mobbers. In Extremfällen ist der Arbeitgeber sogar zur Entlassung verpflichtet, wenn ihm dies zumutbar und der Konflikt nicht anderweitig lösbar ist.
Selbstverständlich sind je nach Fall auch andere Vorgehensweisen oder eine andere Reihenfolge angezeigt. So ist denkbar, dass der Arbeitgeber erst spät von massiven Mobbinghandlungen erfährt, die nur noch mithilfe einer sofortigen Kündigung zu lösen sind.
4. Welche Pflichten hat der Betriebsrat?
Eine der Aufgaben des Betriebsrats ist es, über die ordnungsgemäße Behandlung der Arbeitnehmer im Betrieb zu wachen. Aus diesem Grund muss der Betriebsrat darauf hinwirken, Mobbing im Betrieb zu unterbinden. Er hat zum Beispiel das Recht (bei gravierenden Fällen auch die Pflicht), die Versetzung oder Entlassung des Mobbenden zu verlangen. Weigert sich der Arbeitgeber, kann die Maßnahme im äußersten Fall vor Gericht durchgesetzt werden.
5. Das sollten Arbeitnehmer tun, die am Arbeitsplatz gemobbt werden
- Der Arbeitnehmer sollte sich zunächst an den Arbeitgeber wenden, damit dieser Maßnahmen gegen das Mobbing ergreifen kann. Auch der Gang zum Betriebsrat bietet sich an. Dies gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber selbst bzw. ein hoher Vorgesetzte mobbt.
- Im Fall eines Rechtsstreits muss der betroffene Arbeitnehmer das Mobbing darlegen und beweisen können. Dies kann im Einzelfall schwierig sein. Arbeitnehmer sollten daher sämtliche Vorfälle in einer Art „Mobbingtagebuch“ dokumentieren. Es empfiehlt sich zudem, Kollegen auf die Umstände aufmerksam zu machen. Im idealen Fall notieren auch diese, welche Mobbinghandlungen sie zu welchem Zeitpunkt beobachtet haben.
- Zu Maßnahmen wie der Kündigung oder dem Fernbleiben von der Arbeit sollte erst nach eingängiger arbeitsrechtlicher Beratung gegriffen werden. Auf Rat des Anwalts sind diese Mittel dann in gravierenden Fällen sinnvoll.
- Sollten Anzeichen einer krankhaften Beeinträchtigung auftreten (Antriebslosigkeit, Panikattacken, körperliche Beeinträchtigungen usw.), sollte ein Arzt auf die Mobbingvorfälle angesprochen werden. In gravierenden Fällen können Arbeitnehmer aufgrund einer Krankschreibung der Arbeit fernbleiben. Spätestens in diesem Stadium sollte ein Fachanwalt für Arbeitsrecht hinzugezogen werden.
6. Fazit
- Nicht alles, was im Alltag unter „Mobbing“ verstanden wird, ist vom rechtlichen Verständnis umfasst. Nur das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren kann Rechte wegen Mobbings auslösen.
- Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, Mobbing am Arbeitsplatz zu verhindern und zu unterbinden.
- Der Arbeitnehmer kann ein Recht auf Schmerzensgeld, Ersatz von Behandlungskosten und Geldentschädigung. Unter Umständen kann er auch fristlos kündigen.
- Der Betriebsrat ist zur Unterbindung des Mobbings verpflichtet.
- Alle Vorfälle sollten vom Arbeitnehmer dokumentiert werden.