Bedienstete am Abgrund
Wenige Bedienstete haben Probleme
Vilfredo Pareto untersuchte zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Verteilung des Grundbesitzes in Italien und fand heraus, dass ca. 20 % der Bevölkerung ca. 80 % des Bodens besitzen. Dieses Paretoprinzip kann man auch auf die Bediensteten anwenden: Rund 80 % aller Probleme fallen auf 20 % der Bediensteten zurück. Diese 20 % fallen auf durch:
- Häufige Erkrankungen,
- Mangelhafte Ergebnisse im der Dienstverrichtung und
- Querulatorisches Verhalten
Gründe für diese Auffälligkeiten können sein:
- Unfähige Vorgesetzte, Dienststelle trifft keine Entscheidung (Problem liegt bei der Dienststelle)
- Schwache Dienstverrichtung durch die Betroffenen (Problem liegt beim Bediensteten)
- Unpassende Tätigkeit oder Dienstverrichtungsort für den Betroffenen (Problem liegt in der Situation)
Wie können die Probleme der Bediensteten gelöst werden :
- Für alle Bediensteten: Coaching, Beratung, Versetzung, Änderung der Tätigkeit,
- Für Beamte: Ermahnung, Missbilligung, Disziplinarverfahren, Entfernung aus dem Dienst, Verzicht durch Beamten
- Für Tarifbeschäftigte: Abmahnung, Kündigung, Aufhebungsvertrag
- Für den Dienstherren: Auswechseln der Führungskraft
- Bei Personalräten: Coaching, Versetzung
Besonders anfällige Bedienstetengruppen:
- Dauererkrankte
- Abgemahnte
- Personalräte
- Versetzte
- Disziplinierte
Dauererkrankte Tarifbeschäftigte
Fall 1: Die Bedienstete A legt innerhalb von einem Jahr rund ein Dutzend „neue“ Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Derselbe Hausarzt attestiert immer wieder eine neue Erkrankung, so dass A immer wieder die Lohnfortzahlung erhält und nicht in den Krankengeldbezug rutscht. Dem Personalreferat fällt die Häufung von neuen Attesten nicht auf, da die Software solche Auffälligkeiten nicht erkennt.
Tarifbeschäftigte erhalten gem. § 3 Entgeltforzahlungsgesetz sechs Wochen Lohnfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber. Die bloße Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht aber für eine Verpflichtung des Arbeitgebers nicht aus. Kündigt ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis und wird er am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insbesondere dann erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst,Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 8. September 2021 – 5 AZR 149/21 –.
Der Tarifbeschäftigte muss die Lohnfortzahlung vor dem Arbeitsgericht einklagen, sofern sie durch den Dienstherren verweigert wird. Im Zweifel muss er den attestierenden Arzt von der Schweigepflicht entbinden, der dann vor Gericht vernommen wird. Es ist also mitnichten so, dass der Arbeitgeber bei Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung immer der „Zahlesel“ ist.
Im vorliegenden Fall hätte spätestens nach der zweiten AU die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall eingestellt werden müssen. Es bestehen starke Anhaltspunkte für Betrug. Rund ein Dutzend Neuerkrankungen am Stück sind medizinisch kaum denkbar. Zu erwägen sind daher eine Strafanzeige wegen Betruges und die Rückforderung der Überzahlung, soweit dies noch rechtlich möglich ist. Häufig greifen tarifvertragliche Ausschlussfristen, wonach die Rückforderung innerhalb von sechs Monaten zu erfolgen hat. Will man für einen längeren Zeitraum zurückfordern, muss in der Regel der Vorsatz bei der Bediensteten nachgewiesen werden.
Der Bediensteten muss eventuell gekündigt oder ein Aufhebungsvertrag angeboten werden. Durch die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wurde das Vertrauensverhältnis stark beeinträchtigt. Es erscheint fraglich, ob hier noch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu erwarten ist. Möglicherweise kann den Interessen beider Parteien mit einem Aufhebungsvertrag am besten gedient werden: Hier könnte der Dienstherr auf die Rückforderung der Lohnfortzahlung verzichten, da diese kaum bei der Bediensteten wiederzuerlangen ist. Im Gegenzug müsste die Bedienstete auf Zahlung einer Abfindung verzichten.
Dauererkrankte Beamtin
Bestehen Zweifel über die Dienstunfähigkeit der Beamtin oder des Beamten, so ist sie oder er verpflichtet, sich nach Weisung der dienstvorgesetzten Stelle durch eine Ärztin oder einen Arzt der unteren Gesundheitsbehörde untersuchen und, falls ein Arzt der unteren Gesundheitsbehörde dies für erforderlich hält, auch beobachten zu lassen, vgl. § 33 LBG NRW. Da gegen die Anordnung einer Amtsarztuntersuchung geklagt werden kann, sollte der Dienstherr begründete Zweifel an der Dienstunfähigkeit in der Ladung zum Amtsarzt angeben. Alternativ kann auch erwogen werden, den Beamten in den Ruhestand zu versetzen, sofern keine Zweifel an der Dienstunfähigkeit bestehen.
Fall 2: Die Beamtin B ist mehr als 6 Monate erkrankt und wird zum Amtsarzt geladen. Die Ladung beinhaltet formelle Mängel, wogegen B klagt. Das Verwaltungsgericht entscheidet zu Gunsten der Beamtin, weswegen B nicht zum Amtsarzt gehen muss. Die Dienststelle lädt erneut, diesmal formal korrekt. Der Amtsarzt entscheidet, dass B dienstfähig ist. B sieht sich selbst aber weiter als dienstunfähig an und verrichtet den Dienst allenfalls widerwillig. Ein Aufhebungsvertrag kann mit Beamten rechtlich nicht geschlossen werden, es kommt nur der Verzicht durch die Beamtin in Betracht. Die Situation kann nur nachhaltig gelöst werden, wenn die Beamten ihre Dienstverrichtung verbessert oder verzichtet. Der Beamtin sollte durch den Dienstherren ein Coaching finanziert werden, damit die Beamtin selbstbestimmt für sich die richtige Lösung wählen kann.
Abgemahnte
Auch bereits Abgemahnte machen regelmäßig dem Dienstherren viel Ärger. Die Abmahnung ist ein Indiz für regelmäßige Probleme, da sie nur selten ausgesprochen wird und nach den Landesgesetzen teilweise auch der Personalrat zustimmen muss. Es ist daher zu erwägen, dem Abgemahnten auch die Kündigung auszusprechen bzw. einen Aufhebungsvertrag anzubieten.
Fall 3: Der Bedienstete C erhält jeden Tag eine Abmahnung. Jeder noch so kleine Verstoß gegen den Arbeitsvertrag wird abgemahnt: 5 Minuten Verspätung im Winter, Rechtschreibfehler in Mails, Sortierfehler in Akten. Der Dienstherr traut sich nicht dem C zu kündigen und erhofft sich so die Eigenkündigung des Bediensteten. C seinerseits will nicht kündigen, da er den öffentlichen Dienst schätzt und in der Privatwirtschaft keine Stelle in Aussicht hat. Wie kann die Situation gelöst werden ?
Dem C kann ein Aufhebungsvertrag mit Zahlung einer Abfindung angeboten werden. Allerdings ist fraglich, ob dieses Angebot für C interessant ist, da die Abfindung versteuert werden muss. Überdies sind bei einem Jobwechsel häufig Gehaltseinbußen zu erwarten. Der wirtschaftliche Vorteil einer Abfindung ist schnell aufgebraucht. Der Dienstherr kann auch keine allzu hohe Abfindung anbieten, da er dann eventuell haushaltsrechtlich Probleme bekommt. Die Lösung kann hier eventuell eine Versetzung bringen. Häufig resultieren leistungsbezogene Probleme aus einem gestörten Vertrauensverhältnis zwischen Vorgesetztem und Bediensteten. Ein entsprechender Wechsel hilft dann häufig weiter.
Personalräte
Auch der Umgang mit Personalräten kann für den Dienstherren sehr schwierig sein. Es ist zu überlegen, mit welcher Taktik gegen renitente Personalräte vorgegangen wird. In der Regel müssen die Schauplätze der Auseinandersetzung sowie ein Wechsel zwischen Angriff und Taktik erwogen werden.
Versetzte
Auch bereits versetzte Bedienstete können für den Dienstherren problematisch sein. Das gilt zumindest dann, wenn die Versetzung nicht nur aus dienstlichen Gründen erfolgte. Hier ist dann eine weitere Versetzung zu erörtern, sofern auch am neuen Dienstverrichtungsort Probleme auftreten.
Disziplinierte
Bedienstete, gegen die ein Disziplinarverfahren läuft oder eine Disziplinarmaßnahme verhängt wurde, bedürfen ebenfalls einer gesonderten Beaufsichtigung. Zu erwägen ist auch immer, ob eine Suspendierung oder eine Versetzung in einen anderen Stab erfolgen müssen.