1. Was versteht man unter Arbeitszeitbetrug?
Der Arbeitnehmer rechnet also letztlich Arbeitsstunden ab, die er tatsächlich nicht geleistet hat.
Typische Fälle von Arbeitszeitbetrug können beispielsweise sein:
- Eintragung pünktlichen Beginns trotz häufigem zu spät kommen
- Vorzeitiges Verlassen der Arbeit
- Überlange Pausen
- Gegenseitiges Ein- und Ausstempeln mit Kollegen, obwohl man nicht (mehr) anwesend war.
- Nicht genehmigte Raucherpausen bzw. Nichterfassung in der Arbeitszeiterfassung trotz dienstlicher Anweisung
Ein Arbeitszeitverstoß liegt dabei bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer sich nicht an die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hält. Häufig wird der Arbeitszeitbetrug dadurch verstärkt, dass der Arbeitnehmer bewusst falsche Angaben in der vereinbarten Arbeitszeiterfassung macht (bspw. falsche Angaben in Excel-Zeiterfassung).
2. Abmahnung oder Kündigung wegen Arbeitszeitbetrug?
Abmahnung
Häufig kommt es zunächst zu einer Abmahnung durch den Arbeitgeber. Ob eine Abmahnung erforderlich ist oder der Arbeitgeber sofort kündigen darf, hängt von der Schwere des Arbeitszeitbetruges ab.
Je geringfügiger der Verstoß, desto eher ist zunächst eine Abmahnung des Betroffenen nötig.
Beispiel: Wegen eines privaten Termins verlässt die Beschäftigte B ihren Arbeitsplatz einmalig 30 Minuten vor Arbeitsende, ohne dies mit ihrem Chef vorher abzusprechen.
Kündigt der Arbeitgeber ohne vorherige Abmahnung, hat eine Kündigungsschutzklage in vielen Fällen Aussicht auf Erfolg, weil die sofortige Kündigung dann unverhältnismäßig ist.
Ob eine Abmahnung erforderlich ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab:
- Früheres Fehlverhalten oder bislang tadellose Personalakte?
- Verschleierungsabsicht/Heimlichkeit des Arbeitszeitbetruges
- Schaden des Arbeitgebers durch Arbeitszeitbetrug: Wurde die Arbeit trotzdem erledigt oder ist durch den Arbeitszeitbetrug Arbeit liegen geblieben?
- Einsichtsfähigkeit des Arbeitnehmers: Hat dieser mit Täuschungsabsicht gehandelt oder geschah der Arbeitszeitbetrug unfreiwillig (z.B. Raucherpausen ohne Ausstempeln, bei Unkenntnis von Dienstanweisung zum Ausstempeln)
Kündigung
Im Wiederholungsfall oder bei besonders schwerwiegenden Konstellationen müssen Betroffene mit schärferen arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Regelmäßig kommt es dann zur Kündigung. Je nach Sachlage ist statt einer ordentlichen oder verhaltensbedingten Kündigung sogar eine fristlose Kündigung möglich.
Ordentliche Kündigung
Bei wiederholt falscher Arbeitszeiterfassung trotz Abmahnung oder bei schwerwiegenden Verstößen kann der Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung aussprechen. Konkret handelt es sich dabei um eine sog. verhaltensbedingte Kündigung.
Nicht selten sprechen Arbeitgeber bei Arbeitszeitbetrug auch eine sog. Verdachtskündigung aus, weil sie den Arbeitszeitbetrug nicht im Einzelnen konkret nachweisen können. Das ist auch nicht grundsätzlich rechtswidrig. Hat der Arbeitgeber einen konkreten Verdacht und liegt ein schwerwiegender Verstoß gegen arbeitsvertragliche oder dienstliche Pflichten vor, kann eine Verdachtskündigung zulässig sein.
Die Hürden für eine Verdachtskündigung liegen grundsätzlich hoch. Arbeitszeitbetrug ist in der Praxis aber als häufiger Anwendungsfall anerkannt.
Fristlose Kündigung
In besonders schwerwiegenden Fällen ist auch eine fristlose Kündigung denkbar. Das gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitszeitbetrug über einen langen Zeitraum erfolgt ist oder der Arbeitnehmer einen erheblichen Aufwand betrieben hat, um den Arbeitszeitbetrug zu verschleiern und somit ein besonders treuwidriges Verhalten zeigt.
3. Strafrechtliche Konsequenzen von Arbeitszeitbetrug
Neben den arbeitsrechtlichen Folgen kann das Erschleichen von Arbeitszeit auch strafrechtliche Konsequenzen haben, denn es handelt sich um einen Betrug i.S.v. § 263 StGB und es droht sogar eine Freiheitsstrafe.
Nicht jeder Arbeitszeitbetrug stellt aber sogleich auch einen Betrug im strafrechtlichen Sinne dar. Entscheidend sind die konkreten Umstände im Einzelfall. So muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber vorsätzlich über seine geleistete Arbeitszeit getäuscht haben. Weil der Arbeitgeber in diesem Fall keinen Arbeitslohn schuldet, erleidet er durch die Lohnzahlung – z.B. aufgrund einer falschen Stundenerfassung – einen sog. strafrechtlichen Vermögensschaden.
Zwar wird ein Betrug nicht zwingend nur auf Antrag verfolgt, allerdings bekommt die Staatsanwaltschaft in aller Regel andernfalls keine Kenntnis von einem Arbeitszeitbetrug. In der Praxis greifen Arbeitgeber eher zu arbeitsrechtlichen als zu strafrechtlichen Sanktionen, weil sie von einem Strafverfahren selbst kaum profitieren.
Kommt es dennoch zu einer Anzeige, sollte umgehend eine Abstimmung mit einem Rechtsanwalt für Strafrecht erfolgen. Je früher dies erfolgt, desto eher kann eine Einstellung des Verfahrens erreicht werden.
4. Arbeitszeitbetrug im öffentlichen Dienst
Auch im öffentlichen Dienst ist Arbeitszeitbetrug zunehmend ein Problem. Dabei gelten auch für Beschäftigte im öffentlichen Dienst die gleichen Konsequenzen wie für andere Arbeitnehmer.
Lediglich im Bereich des Kündigungsschutzes sind Beschäftigte im öffentlichen Dienst gegebenenfalls besser geschützt: Wer das 40. Lebensjahr vollendet hat und bereits seit mehr als 15 Jahren beschäftigt ist, kann nur aus wichtigem Grund gekündigt werden (§ 34 Abs. 2 TVöD/TV-L). Eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetruges setzt also voraus, dass der Dienstherr einen wichtigen Kündigungsgrund vorweisen kann.
Arbeitszeitbetrug kann einen wichtigen Grund darstellen. Entscheidend ist daneben aber stets, ob auch der konkrete Einzelfall als wichtiger Grund einzustufen ist. Beschäftigte im öffentlichen Dienst haben daher tendenziell leicht bessere Chancen, sich gegen eine Kündigung wegen Arbeitszeitbetruges zu wehren.
Im zuvor bereits erwähnten Fall des LAG Baden-Württemberg bejahte das Gericht zwar grundsätzlich einen wichtigen Kündigungsgrund, hielt die Kündigung jedoch aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls trotzdem für unverhältnismäßig.
Der Beschäftigte leistete demnach über viele Jahre unbezahlte Mehrarbeit und wurde seitens seines Dienstvorgesetzten nach Meinung des Gerichts sogar zu dem Erschleichen von Arbeitszeit regelrecht „angestiftet“. Nach Ansicht des LAG hätte der Arbeitgeber daher nur ordentlich mit Kündigungsfrist kündigen dürfen. Eine solche war vorliegend jedoch nach § 34 Abs. 2 TVöD ausgeschlossen (LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 29.05.2018 – 19 Sa 61/17).
5. Wie wehrt man sich gegen den Vorwurf des Arbeitszeitbetruges?
In erster Linie können Betroffene sich mit einer ordnungsgemäßen Arbeitszeiterfassung gegen den Vorwurf des Arbeitszeitbetruges wehren. Auch wenn die Erfassung der geleisteten Arbeitszeit durch den Arbeitgeber erfolgt oder gar nicht durchgeführt wird, kann eine eigene Arbeitszeiterfassung Sinn ergeben. Hierzu kann beispielsweise eine Excel-Tabelle oder ein Stundenzettel verwendet werden.
Nimmt der Arbeitgeber trotzdem Maßnahmen wegen Arbeitszeitbetruges vor, müssen sich Betroffene rechtlich gegen die jeweilige Maßnahme wehren.
Widerspruch gegen Abmahnung
Betroffene Arbeitnehmer können Widerspruch gegen eine unberechtigte Abmahnung wegen Arbeitszeitbetrugs einlegen. Ein solcher Widerspruch hat aber nur Aussicht auf Erfolg, wenn er mit einer qualifizierten Gegendarstellung verbunden wird. Es sollten also im besten Fall Beweise vorgelegt werden, die den Vorwurf des Arbeitszeitbetruges entkräften.
Kündigungsschutzklage erheben
Hat der Dienstherr bereits eine Kündigung ausgesprochen, ist schnelles Handeln erforderlich. Betroffene Arbeitnehmer müssen dann innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erheben. Das gilt auch für Beschäftigte im öffentlichen Dienst.
Ob die Kündigung hierdurch für unwirksam erklärt werden kann, ist stets von Fall zu Fall neu zu bewerten. Maßgeblich ist dabei vor allem das Ausmaß des Arbeitszeitbetruges.
Selbstentlastungsverfahren für Beamte
Beamte können sich von dem Vorwurf des Dienstherrn zusätzlich durch ein sog. Selbstentlastungsverfahren (§ 18 BDG) entlasten. Dabei handelt es sich um ein durch den Beamten eingeleitetes Disziplinarverfahren gegen sich selbst. Hierzu ist ein Antrag des Beamten an den Dienstherrn erforderlich. Ein solches Verfahren sollte aber nur in enger Abstimmung mit einem Rechtsanwalt für Beamtenrecht beantragt werden, da es nur bei hoher Erfolgsaussicht sinnvoll ist.
6. Fazit
- Arbeitszeitbetrug ist das vorsätzliche Täuschen über die tatsächlich geleistete Arbeitszeit.
- Arbeitnehmer müssen mit einer Abmahnung oder sogar einer ordentlichen oder fristlosen Kündigung rechnen.
- Eine vorherige Abmahnung ist bei Arbeitszeitbetrug regelmäßig nicht erforderlich.
- Arbeitszeitbetrug kann schon bei einem begründeten Verdacht zu einer Verdachtskündigung führen.
- Gegen eine Kündigung müssen Betroffene innerhalb von drei Wochen ab Erhalt der Kündigung Klage erheben.
- Beamte können sich von dem Vorwurf eines Arbeitszeitbetruges durch ein sog. Selbstentlastungsverfahren entlasten.